Warum haben immer mehr Kinder Allergien?

Warum haben immer mehr Kinder Allergien?
Fragen an Dr. Philipp Amann

  

1.    Warum nehmen Allergien zu?

Man beobachtet in den westlichen Ländern eine deutliche Zunahme der Allergien. Man schätzt, dass über 30% der Bevölkerung an allergischen Erkrankungen wie Neurodermitis, Heuschnupfen oder Asthma bronchiale leiden, insbesondere Kinder sind betroffen. Auch in aufsteigenden Schwellenländern nimmt parallel mit dem wachsenden Wohlstand – und der besseren Hygiene – die Allergierate deutlich zu. Vermutet wird, dass der Lebensstil, die Lebensbedingungen, die Ernährungsgewohnheiten sowie die Umwelteinflüsse der westlichen Länder eine wesentliche Rolle spielen, insbesondere die guten hygienischen Lebensbedingungen.

2.    Welche Allergien betrifft das?

Im Kleinkind- oder Säuglingsalter sind Nahrungsmittelallergien die häufigsten Allergien, z.B. gegen Kuhmilch, Soja, Weizen, Hühnerei oder Meerestiere. Kleine Kinder leiden dann häufig auch unter Neurodermitis, einer Hauterkrankung die mit juckenden, teils nässenden und trockenen Ekzemen einhergeht. Oftmals verschwinden diese „frühen“ Nahrungsmittelallergien aber wieder bis zur Einschulung. Im Schulalter oder Jugendalter treten dann häufig erstmals Pollenallergien auf, z.B. gegen Gräserpollen oder Frühblüher wie Birke, Hasel und Erle. Ebenfalls häufig sind Allergien gegen Hausstaubmilben. Diese verursachen dann Symptome wie Fließschnupfen und Augentränen – oder noch schlimmer – es kann zum Auftreten von Asthma bronchiale kommen.

 

3.    Was steigert das Risiko?

Sicherlich spielt eine genetische Komponente eine wesentliche Rolle. Wenn beide Elternteile an Allergien leiden, so ist das Risiko für das Kind um ein Vielfaches erhöht. Aber auch Umweltfaktoren spielen eine Rolle, wie das Aufwachsen in der Stadt oder der ständige Kontakt zu schädlichen Umweltstoffen wie Zigarettenrauch oder Autoabgasen. Der Grundstein hierfür wird bereits in der Schwangerschaft gelegt: Wenn die schwangere Frau raucht, erhöht sich statistisch signifikant das Allergierisiko für das ungeborene Kind. Es gibt auch interessante Studien, die gezeigt haben, dass Kaiserschnittkinder ein erhöhtes Risiko für Allergien haben. Vermutet wurde, dass der ausbleibende Kontakt zur mütterlichen Vaginalflora eine Fehlbesiedelung des Kindes mit Bakterien fördert und hierdurch das Immunsystem fehlgeleitet wird.

4.    Was mindert es?

Ein gesunder Lebensstil und eine vielseitige Ernährung sowie die Abwesenheit schädlicher Umweltgifte wie Dieselruß oder Zigarettenrauch sind sicherlich förderlich. Man ist davon abgekommen, Kindern, die ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Allergien haben, erst sehr spät in Kontakt zu potenten Allergenen wie z.B. Erdnuss oder Fisch zu bringen. So konnten Studien zeigen, dass das frühzeitige Zufüttern von z.B. Fisch im 1. Lebensjahr, die Allergierate senkt. Das Immunsystem lernt dann frühzeitig und entwickelt eine Toleranz. Hat sich eine Allergie allerdings bereits ausgebildet, bleibt nichts anderes übrig, als das Allergen zu meiden.

5.    Hat Stillen tatsächlich einen Einfluss?

Ja, es wird ein protektiver Einfluss angenommen. Aktuell empfohlen wird, dass nach Möglichkeit mindestens 4 Monate ausschließlich gestillt werden sollte. Erst danach sollte zugefüttert werden.

6.    Welche Auswirkung hat übertriebene Hygiene?

Statistisch gesehen entwickeln Kinder, die in der Nähe eines Bauernhofs aufwachsen, weniger Allergien als Stadtkinder. Insofern wird angenommen, dass eine übertriebene Hygiene eher förderliche Auswirkungen auf die Entwicklung von Allergien hat. Man weiß, dass das Immunsystem im Kindesalter sehr „plastisch“ und „lernfähig“ ist – schließlich muss es gegen eine Vielzahl für den Körper unbekannte Keime kämpfen. Wenn es durch übertriebene Hygiene allerdings weniger zu tun hat – so die Hygienetheorie – kann das Immunsystem eigentlich harmlose Umweltstoffe als gefährlich einstufen und so Allergien gegenüber diesen Stoffen entwickeln. Diese harmlosen Allergene werden dann bekämpft, wodurch die allergietypischen Symptome entstehen.

7.    Impfen und Allergien – gibt es einen Zusammenhang?

Nein. Da Allergien häufig erstmals im Kindesalter auftreten und in diesem Alter ebenfalls geimpft wird, wurde natürlich auch untersucht, ob diesbezüglich ein Zusammenhang besteht. Hier kann man allerdings Entwarnung geben: Es konnte nicht gezeigt werden, dass Impfungen zu Allergien führen.

8.    Haben Stadtkinder wirklich mehr Allergien als Landkinder?

Statistisch gesehen ja (siehe oben).